Das große Pendeln beginnt

Woche für Woche können Sie hier nachlesen, was vor 30 Jahren los war. Wie das Land entstand. In dieser Woche: Wie der Otto-Versand neue Arbeitskräfte gewinnt.

28. Oktober

Und das noch: Ab Januar müssen auch Trabis zur Abgasuntersuchung. Das hat Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) an diesem Tag angekündigt. Damit gelten für alle Zweitakter, die nach dem 1. Juli 1969 erstmals zugelassen wurden, keine Sonderregelungen mehr.

29. Oktober

Landesregierung: Das Kabinett trifft sich zur Sitzung vor der ersten Sitzung. Es geht um Absprachen für die künftige Arbeit. Sieben von acht Kabinettsmitgliedern sind dabei. Landwirtschaftsminister Martin Brick nicht. Die erste Kabinettssitzung ist für den 1. November geplant. Auch über die Gehälter der Minister und die Diäten der Abgeordneten wird gesprochen.

Landesregierung: Die Ministerien haben ihre Arbeit aufgenommen. Während die meisten Ministerinnen und Minister mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden sind, sieht Justizminister Ulrich Born für seinen Bereich Verbesserungsbedarf: Weder Mitarbeiter noch Richter seien von den Richterwahlausschüssen überprüft worden – und die Ausschüsse selbst noch gar nicht besetzt, argumentiert er.

Zahlen: Rund 16 Millionen – so viele Einwohner haben die fünf neuen Bundesländer zusammengenommen. Zum Vergleich: NRW hat zu diesem Zeitpunkt 17,1 Millionen Einwohner. Gemessen am Alter seiner Einwohner ist MV 1990 das jüngste Bundesland. Im Schnitt sind die Mecklenburger und Vorpommern 35,4 Jahre alt. Aktuell sind es rund 47 Jahre.

Und das noch: Ein Bauernhof in Stresdorf, einem Ortsteil von Gadebusch, wird Filmkulisse fürs ZDF. Für den Zweiteiler „Marx und Coca-Cola“ werden hier Außenaufnahmen gedreht. Der Film erzählt die Geschichte von Immobilienmakler Martin (gespielt von Helmut Zierl) aus Hamburg, der sich auf einer Geschäftsreise durch Mecklenburg in Bauerntochter Anna (gespielt von Birge Schade) verliebt.

30. Oktober

Wirtschaft: Rund 350 Menschen pendeln täglich zwischen MV und dem Otto-Versand in Hamburg hin und her. Tendenz steigend. Sie kommen vor allem aus Boizenburg, Hagenow und Schwerin – und werden in werkseigenen Bussen zur Arbeit und wieder nach Hause gebracht. Das Versandunternehmen betont, sie zu den gleichen Bedingungen zu beschäftigen wie Arbeitnehmer aus dem Westen.

Wirtschaft: Die Fischereiforscher in Rostock warten darauf, wieder forschen zu können. Das scheitert derzeit am Geld. Ihr früherer Geldgeber, das Fischkombinat Rostock, ist seit Juli privatisiert und in fünf GmbHs aufgeteilt. Die Diplomingenieure haben zum Beispiel Fangtechniken entwickelt oder so verfeinert, dass die Fischer mit weniger Aufwand höhere Fangergebnisse erzielten.

31. Oktober

Feiertag: Das erste Mal seit 23 Jahren ist der Reformationstag in MV wieder ein gesetzlicher Feiertag. Er wurde 1967 in der DDR abgeschafft. Warum? Weil im Sommer 1967 die Fünf-Tage-Woche eingeführt, der Samstag also ein arbeitsfreier Tag wurde. Im Gegenzug strich die SED fünf Feiertage: Ostermontag, Himmelfahrt, den Tag der Befreiung, Buß- und Bettag und Reformationstag.

Parteivermögen: 13 Millionen DM – auf diese Summe beziffert die CDU das Vermögen der früheren Ost-CDU und der Bauernpartei. Generalsekretär Volker Rühe gibt bekannt, die CDU werde auf das Geld verzichten.

1. November

Landesregierung: Das Kabinett trifft sich zu seiner ersten Sitzung. Im Mittelpunkt stehen unter anderem die Richtlinien für die künftige Regierungsarbeit und die Neuordnung des Justizapparates. Justizminister Ulrich Born fordert einen Beirat mit Richtern aus anderen Bundesländern, der die Bewerbungen von Richtern und Staatsanwälten überprüft. Entschieden wird außerdem, dass das Ressort „Forstwirtschaft“ nicht dem Landwirtschaftsministerium, sondern dem Umweltministerium zugeordnet wird.

Fotoausschnitt: Schweriner Volkszeitung, 29. Oktober 1990, Seite 3

Versicherungen: Trabifahren wird teurer. Ab kommendem Jahr steigt die Versicherung auf rund 500 DM. In Berlin auf gut 700 DM. Das liegt zwar rund 400 DM unter gleichgroßen Westwagen, wie dem Golf – aber deutlich über dem DDR-Tarif von rund 70 Ostmark. Anders als früher können Autofahrer jetzt aber zwischen mehreren hundert Anbietern wählen. In der DDR gab es nur die „Staatliche Versicherung der DDR“. Und jeder Autobesitzer war per Gesetz automatisch gegen Haftpflichtschäden versichert. Aber nicht nur Trabi-Fahrer müssen tiefer in die Tasche greifen. Auch für Wartburg & Co. steigen die Preise.

Und das noch: Autos? Nicht in der Innenstadt! Sagt der Hamburger Bausenator. Und kündigt an, die meisten Straßen in City vom 26. November bis 6. Januar fürs (Nach)Weihnachtsgeschäft in Fußgängerzonen umzuwandeln.

2. November

Medizin: Vielen Ärzten und Mitarbeitern von Polikliniken wird derzeit gekündigt. Ein Beispiel: die Kreispoliklinik in Gadebusch. Sie wird zum Jahresende aufgelöst.

Wirtschaft: Aufbau Ost mithilfe der Europäischen Gemeinschaft, kurz EG: Mecklenburg-Vorpommern wird mit dem höchsten Fördersatz von 23 Prozent unterstützt. Das soll günstigere Bedingungen für Investoren schaffen.

3. November

Und das noch: Wochenende? Nicht für die Pressesprecher ostdeutscher Städte. Sie drücken am Wochenende in Schwerin die Schulbank. Vertreter des Deutschen Städtetages schulen sie darin, wie Verwaltungen Bürger transparenter über Entscheidungen und Abläufe informieren können.

Und auch das noch: In MV wird eine Landesapothekerkammer aufgebaut. Jedes Bundesland hat eine eigene Apothekerkammer. Nordrhein-Westfalen sogar zwei. Die Kammern sind für die Wahrung der beruflichen Belange der Apothekerschaft verantwortlich. Darin Mitglied zu sein, ist für Apotheker Pflicht.